Altersspezifische Einkommensentwicklung 2008 – 2017

By | December 31, 2021

Wirtschaftskrisen werden meist anhand des BIP gemessen und untersucht. Doch das BIP sagt wenig über die Entwicklung der Haushaltseinkommen und nichts über Unterschiede zwischen Altersgruppen. Unsere Studie „Age-specific income trends in Europe“ analysiert die altersspezifische Einkommensentwicklung über den Zeitraum 2008-2017 in neun Europäischen Ländern. Gleich vorweg: Es gibt riesige Unterschiede in der Einkommensentwicklung zwischen Altersgruppen, und vor allem die junge Bevölkerung verliert. Mit der Ausnahme von Estland und Polen sind die durchschnittlichen Einkommen der 20-39-Jährigen stagniert oder gesunken, während jene der Über-60-Jährigen stark gestiegen sind.  

Fragestellung:

Unsere Studie beantwortet folgende drei Fragen:

  1. Wie haben sich die Einkommen zwischen 2008 und 2017 verändert?
  2. Unterscheiden sich die Einkommensentwicklung über Altersgruppen?
  3. Was ist für für die Veränderung verantwortlich: Erwerbsbeteiligung, Löhne oder staatliche Transferleistungen?

Datengrundlage:

Wir verwenden Daten aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) um die Änderung der Gesamteinkommen Wir verwenden Daten aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) um die Änderung der Gesamteinkommen zu untersuchen, sowie den Anteil der Steuern und Sozialleistungen am Einkommen.  Die Analyse der altersspezifischen Einkommensentwicklung beruht auf der Studie zu Lebensbedingungen der Privathaushalte in der Europäischen Union (EU-SILC).  Diese Studie enthält Information über Erwerbseinkommen, Vermögenseinkommen, Sozialleistungen als auch über die Erwerbsbeteiligung. Sie wird verwendet, um den Einfluss dieser Größen auf Änderungen der Durchschnittseinkommen zu untersuchen. Nur die neun analysierten Länder inkludiert EU-SILC Information über individuelle Nettoeinkommen, weshalb wir die Analyse auf folgende Länder beschränken: Österreich, Frankreich, Slowenien, Italien, Spanien, Griechenland, Polen, Estland und Schweden.

Stagnierende Einkommen, steigende Steuern und Sozialtransfers

Das BIP ist kein gutes Maß für die mittelfristige Entwicklung der wirtschaftlichen Situation von Privathaushalten. Mit Ausnahmen von Griechenland und Italien ist das Bruttoinlandsprodukt in allen Ländern gestiegen, die Einkommen der Haushalte sind aber in sechs der analysierten Länder gesunken.

In allen Ländern gibt es auch eine Verschiebung von Primäreinkommen aus Erwerbsarbeit oder Vermögen, hin zu Transfereinkommen. In keinem Land ist die Steuerbelastung im Verhältnis zum Einkommen gesunken und in allen Ländern gab es einen Anstieg der Sozialleistungen im Verhältnis zu den Gesamteinkommen. Den höchsten Anstieg der Steuerbelastung im Verhältnis zum Primäreinkommen (Einkommen aus Erwerbsarbeit oder Vermögen) gab es in Griechenland, mit einem Anstieg von 7 Prozent. Diese Entwicklung ist bereits ein Indikator für altersspezifischen Änderungen, da vor allem die ältere Generation von Sozialleistungen profitiert, während die Beiträge von der Erwerbsbevölkerung geleistet werden.

LandBruttoinlandsproduktPrimäreinkommen (PI)Steuern auf Einkommen in % der PISozialtransfers in % der PIVerfügbares Einkommen
Österreich2-322-2
Frankreich3-144-1
Slovenien1-313-2
Griechenland-24-3273-35
Spanien0-1004-7
Italien-7-1435-12
Estland15161117
Polen113124
Schweden8160117
Tabelle 1: Veränderung der Einkommen zwischen 2008 und 2017, sowie Veränderung der Steuern und Sozialtransfers relativ zum Primäreinkommen. Quelle: Eurostat, Nichtfinanzielle Sektorkonten

Altersspezifische Einkommen: Junge bleiben zurück

Die altersspezifische Einkommensentwicklung zwischen 2008 und 2017 ist durch stagnierende oder sinkende Einkommen bei den 20-39-jährigen gekennzeichnet und einen starken Anstieg bei den Über-60-jährigen. Einkommen der 20-39-jährigen sind in fünf der neun analysierten Länder sogar absolut gesunken, und nur in Estland gab es einen Zuwachs von mehr als 5 Prozent. Die größten Zuwächse konnte die Altersgruppe 60+ verbuchen. Die durchschnittlichen Einkommen in der Gruppe 60+ ist nur in Griechenland gesunken, aber auch viel geringer als für die junge Generation.  

LandAlter 20-39Alter 40-59Alter 60+Gesamt (20+)
AT-11113
FR-4183
SI1474
     
EL-43-38-24-34
ES-18-88-4
IT-17-94-5
     
EE1728717
PL5212
SE4161412
Tabelle 2: Veränderung Netto-Realeinkommen 2008 – 2017 in %

Treiber altersspezifischer Einkommenstrends: Erwerbsbeteiligung und steigende Pensionen

Sinkende Erwerbsbeteiligung und Einkommen bei den Jungen, höhere Erwerbsbeteiligung und höhere Pensionen bei der älteren Bevölkerung sind Haupttreiber der altersspezifischen Unterschiede in der Einkommensentwicklung. Um mehr über die Gründe für die Unterschiede in der altersspezifischen Einkommensentwicklung zu erfahren, zerlegen wir die Veränderung des Gesamteinkommens zwischen 2008 und 2017 in einzelne Komponenten, wobei Erwerbsbeteiligung, Einkommen pro Erwerbsperson, Anteil der Empfänger von Sozialtransfers, Höhe der Transfers pro Empfänger und „andere Einkommenskomponenten“ unterschieden werden.

In Griechenland, Spanien und Italien (Abbildung 1) waren die Haupttreiber der sinkenden Einkommen der 20-39-Jährigen niedrigere Erwerbsquoten und stark sinkende Einkommen pro Erwerbsperson. Diese Komponenten sind in Estland für den starken Anstieg der Durchschnittseinkommen bei den 20-39-Jährigen verantwortlich. Für den starken Anstieg des Einkommens der Bevölkerung 60+ sind höhere Erwerbsquoten und höhere Transfers pro Leistungsempfänger verantwortlich.

In Österreich und Frankreich haben sich die Einkommen der Jungen kaum verändert, die Einkommen der Über-60-Jährigen sind stark gestiegen. Grund dafür ist ebenfalls die höhere Erwerbsbeteiligung und höhere Durchschnittspensionen.

Herausforderungen

Stagnierende und sinkende Einkommen in der jungen Bevölkerung sind mit einem hohen Armutsrisiko unter jungen Erwachsenen und Jungfamilien verbunden, aber auch mit dem Aufschieben von Kinderwünschen und einen weiteren Rückgang der Geburtenrate. Die problematische wirtschaftliche Situation junger Erwachsener dürfte für die extrem niedrige Geburtenrate in Italien und Griechenland eine maßgebliche Rolle spielen. 

Die Alterung der Bevölkerung ist eine große Herausforderung in allen analysierten Ländern, da sie eine noch höhere Umverteilung von jung zu alt und möglicherweise einen weiteren Rückgang der bereits niedrigen Fertilität nach sich zieht. Dazu kommen die Auswirkungen der Corona-Krise. Es erfordert eine genaue Beobachtung der wirtschaftlichen Situation der jungen Bevölkerung und Mechanismen, die eine ausgewogenen Verteilung der Kosten von Krisen sicherstellen.