Leistungsträger Eltern: Wie viel unbezahlte Arbeit wird für Kinder geleistet?

By | December 21, 2020

Durch unbezahlte Arbeit erstellte Dienstleistungen sind ein riesiger Teil der Gesamtproduktion einer Volkswirtschaft und ein wichtiger Teil des Transfersystems. Zu den wichtigsten unbezahlten Dienstleistungen gehört Haushaltsarbeit wie Kochen, Putzen, Waschen und die Kinderbetreuung. Ein großer Teil dieser Arbeit ist aus gutem Grund “unbezahlt”, da wir damit Leistungen für unseren eigenen Konsum erstellen. Ein wesentlicher Teil der unbezahlten Dienstleistungen wird allerdings für andere erbracht. Familien, vor allem die Mütter, leisten mit ihrer unbezahlten Arbeit ganz zentrale intergenerationelle Transfers: die Versorgung und Erziehung von Kindern.

Nationale Transferkonten messen Produktion, Transfers und Konsum von unbezahlten Dienstleistungen. Produktion durch unbezahlte Arbeit ist in Wirtschaftsdaten wie dem Bruttoinlandsprodukt nicht erfasst und wird meistens anhand von Zeitverwendungsdaten geschätzt. In Zeitverwendungsstudien wird erhoben, wieviel Zeit einzelne Personen für verschieden Tätigkeiten verwenden, unter anderem auch für die verschiedenen Formen unbezahlter Arbeit. Diese Information und die Information über die Haushaltsstruktur wird in Nationalen Transferkonten verwendet, um Produktion, Transfers und Konsum von unbezahlter Arbeit abzuschätzen.

Haushaltsproduktion: Die versteckte Wirtschaftsleistung

Etwa die Hälfte der gesamten geleisteten Arbeitszeit entfällt auf unbezahlte Arbeit. Zeitverwendungsdaten zeigen, wie wichtig unbezahlte Dienstleistungen als Teil der Wirtschaft eigentlich sind: Abbildung 1 zeigt die gesamte Arbeitszeit für Männer und Frauen nach Alter. Die gesamte durchschnittliche Arbeitszeit (bezahlt und unbezahlt) ist für Männer und Frauen im Haupterwerbsalter in Österreich beinahe gleich, mit etwas über acht Stunden pro Tag. Klarerweise leisten Frauen über alle Altersgruppen hinweg wesentlich mehr unbezahlte Arbeit als Männer. Frauen im Haupterwerbsalter wenden im Durchschnitt ca. vier Stunden für unbezahlte Arbeit auf, Männer immerhin zwei Stunden. Würde man diese Arbeit mit Mindestlöhnen für Haushaltsangestellte entlohnen, entsprächen diese Leistungen 40% des BIP, wovon 70 % von Frauen geleistet werden.

Abbildung 1: Arbeitszeit pro Tag von Männern und Frauen nach Alter (basierend auf der Zeitverwendungserhebung 2008/09)

Konsum von unbezahlten Dienstleistungen

Wer konsumiert unbezahlte Dienstleistungen? Der Konsum von unbezahlten Dienstleistungen wird gemessen, indem die gesamte unbezahlte Arbeit eines Haushalts auf dessen Mitglieder verteilt wird. Pflege und Betreuungstätigkeiten können gut den einzelnen Empfängern dieser Leistungen zugeordnet werden. Für allgemeine Haushaltsdienstleistungen wird angenommen, dass sie von allen Haushaltsmitgliedern konsumiert werden.

Abbildung 2: Konsum von unbezahlten Dienstleistungen nach Alter

Kinder sind Hauptkonsumenten von unbezahlten Dienstleistungen. In den ersten Lebensjahren erfordern Kinder über 7 Stunden unbezahlte Arbeit pro Tag, vor allem in Form von Kinderbetreuung (Abbildung 2). Mit dem Alter sinkt der Bedarf und bleibt über das Erwerbsleben bei ca. zwei Stunden pro Tag im Alter von 15-45. Dieser Wert steigt mit dem Alter 65-70 auf etwas vier Stunden an. Grund für den Anstieg im Alter ist der geringere Aufwand für Kinder und mehr Zeit für eigenen Konsum und im Pensionsalter natürlich die wesentlich höhere Zeit, welche für diese Tätigkeiten zur Verfügung steht.

Transfers durch unbezahlte Arbeit

Der riesige Unterschied zwischen altersspezifischer Produktion und Konsum unbezahlter Dienstleistungen erfordert die Umverteilung über Altersgruppen und zwischen Männer und Frauen. Die Nettotransfers von unbezahlten Dienstleistungen werden als Differenz von Konsum und Produktion gemessen. Frauen im Alter von 30- bis 45 Jahren – insbesondere Mütter – sind die wichtigsten Produzenten von intergenerationellen Transfers durch unbezahlte Arbeit. Im Durchschnitt stellen Frauen in dieser Altersgruppe über drei Stunden Arbeit pro Tag anderen Altersgruppen und ihren Partnern zur Verfügung (Abbildung 3). Bei Männern ist es nur eine Stunde. Allerdings erhalten Frauen auch weniger unbezahlte Dienstleistungen von anderen, sodass Männer nur im Alter von 35 bis 45 Nettobeiträge durch unbezahlte Arbeit leisten, Frauen über das gesamte Erwachsenenleben bis in das hohe Alter.

Abbildung 3: Erhaltene und geleistete Transfers in Form von unbezahlten Dienstleistungen nach Alter

Familien: Unbezahlte Leistungsträger

Familien, vor allem Mütter, sind unbezahlte Leistungsträger. Abbildung 4 zeigt Zeitverwendung für bezahlte und unbezahlte Arbeit nach Familienstatus. Eltern von Kindern bis inkl. 4 Jahre leisten im Durschschnitt über neun Stunden Arbeit pro Tag. Etwa fünf Stunden werden für unbezahlte Arbeit verwedet, davon fast 4 Stunden für die Transfers zu den Kindern. Je jünger die Kinder desto mehr Arbeit wird im Gesamten geleistet, zwar weniger bezahlte Arbeit, dafür wesentlich mehr unbezahlte Arbeit für andere.

Abbildung 4: Bezahlte und unbezahlte Arbeit nach Familienstatus

Die Integration von unbezahlter Arbeit und den Transfers von unbezahlten Dienstleistungen in Wirtschaftsdaten macht eine der größten Ungerechtigkeiten des staatlichen Sozialsystems sichtbar. Mit ihrer Arbeit für Kinder leisten Mütter die wichtigsten Investitionen in das Humankapital einer Gesellschaft und sichern damit auch Steuern und Pensionszahlungen der Zukunft. Ansprüche darauf erwerben sie mit diesen Investitionen nicht. Im Gegenteil, zu den Kosten für Kinder und den Einkommenseinbußen kommen auch noch niedrigere Pensionen für Mütter.


Österreichische NTA Daten für 2015 und eine detaillierte Beschreibung sind über AUSSDA zugänglich: Hammer (2020), National Transfer Accounts for Austria 2015, https://doi.org/10.11587/4EOXZO.

Donehower (2018) beschreibt detailliert, wie Nationale Transferkonten für unbezahlte Arbeit erstellt werden. Für 17 europäische Länder sind solche Daten über www.wittgensteincentre.org/ntadata zugänglich.